Konrad von Altstetten und seine Liebste wurden zwar rund 100 Jahre nach Aucassin und Nicolette in der Manessischen Liederhandschrift dargestellt. Das Bild vermittelt aber einen schönen Eindruck eines mittelalterlichen Liebespaares.

Chères amies, chers amis, liebe Freundinnen und Freunde des Fördervereins Deutsch-Französischer Kultur,
in unserem nächsten Salon, am 25. Juni 2023, wollen wir Sie zu einer abenteuerlichen Reise ins Mittelalter einladen:

Aucassin und Nicolette
Der übermütige Duft der Freiheit, 'Chantefable' aus dem Mittelalter

Diese faszinierende Feier jugendlicher Lebensfreude aus dem Mittelalter werden wir in Ausschnitten in Deutsch und Französisch vorstellen. Es wird gesungen und erzählt. Anschließend freuen wir uns darauf, mit unseren Gästen über das ungestüme Werk zu sprechen, dessen Autor unbekannt ist. Aber wer weiß, vielleicht hat es ja eine Autorin geschrieben?

Der junge Grafensohn Aucassin liebt Nicolette, eine junge Sarazenin, die ein gräflicher Beamter auf dem Sklavenmarkt gekauft hat. Aucassins Vater will die nicht standesgemäße Verbindung verhindern. Nach vielen Abenteuern, die Heldin und Held bestehen müssen, kommt es schließlich zum happy end.

Soweit ist die Erzählung nicht ungewöhnlich. Was aber im Einzelnen bis dahin geschieht, ist unerhört und unglaublich spannend. Vollkommen neu war damals auch die Form, in der erzählt wird. „Aucassin und Nicolette“ ist eine 'Chantefable', Prosa und gesungene Verse wechseln sich ab. Bis zur Jahrhundertwende vom zwölften zum dreizehnten Jahrhundert wurden in Frankreich Geschichten nur in Versen erzählt. Deshalb nimmt man an, dass „Aucassin und Nicolette“ zu Beginn des 13. Jahrhundert, also etwa um 1220 verfasst wurde. Wer die Texte geschrieben hat, weiß man nicht. Das einzige Exemplar, das existiert, liegt in der französischen Nationalbibliothek in Paris. Die Art der Handschrift und auch Bezüge zu Spielleuten, die in Arras eine berühmte Bruderschaft bildeten, deuten darauf hin, dass die Chantefable in Nordfrankreich entstanden ist.

Den Weg, den die Liebenden zurücklegen müssen, bis sie vereint sind, kann man als „initiation amoureuse“, als Entwicklungsroman, lesen. Aber er hat noch eine andere Seite, die der Übersetzer der altfranzösischen Fassung, Philippe Walter, „un insolent parfum de liberté“ nennt - „einen übermütigen Duft der Freiheit“.

Aucassin rebelliert gegen den Vater, weigert sich, dessen Grafschaft zu verteidigen, wenn er Nicolette nicht bekommt. Als ihm prophezeit wird, dass deshalb die Hölle auf ihn wartet, antwortet er frech, „in die Hölle will ich gehen, denn in die Hölle kommen die klugen Leute … .“ Und auf ihrer Flucht vor familiären und gesellschaftlichen Zwängen verschlägt es die Liebenden in Gefilde, in denen die scheinbar festgefügte mittelalterliche Ordnung auf den Kopf gestellt ist. In der Stadt Torelore liegt der König im Kindbett und seine Frau kämpft auf dem Schlachtfeld. Die Waffen, die dort eingesetzt werden, sind allerdings faules Obst, frischer Käse und Eier.

Herzliche Grüße

Mai 2023

Ralf Kröner